Aufgabe von Unternehmen und Arbeitgeberverbänden
Was immer auch ein Unternehmen sich selbst zur Aufgabe gemacht hat, es teilt mit allen Unternehmen den inneren Zweck der Wertschöpfung, d.h. der Entwicklung neuer Problemlösungen. Produkte im weitesten Sinne, also all das, was Unternehmen her- bzw. bereitstellen, sind immer standardisierte Problemlösungen für eine Praxis. Von daher sind Unternehmen idealerweise Betreiber der Rationalisierung und des Fortschrittes. Sie sind Orte der Erzeugung von Neuem, der Neuerung (Schumpeter), neudeutsch: Innovation. Dies erst bietet eine Rechtfertigung dafür, Ressourcen zu verbrauchen, um ein Produkt oder Gut für einen Markt zu erzeugen und daran messen wir sie auch wie selbstverständlich.
Um für diese Wertschöpfung möglichst günstige Bedingungen zu erwirken, haben die Unternehmen sich in Verbänden organisiert, die ihre Interessen vertreten, wie es in der Tarifpartnerschaft vorgesehen ist. Die deutschen Arbeitgeberverbände sind heute die stärkste Kraft in der Vertretung der Unternehmensinteressen. Ihre Aufgabe als kollektive Interessenvertretung ist es, dafür Sorge zu tragen, daß Unternehmen in Deutschland förderliche Bedingungen für Innovation und Wertschöpfung vorfinden.
Im Rahmen der Tarifpartnerschaft haben sie den Auftrag, Rahmenbedingungen für den Ankauf von Arbeitskraft auszuhandeln. Wichtig ist für die Unternehmen dabei, daß diese Rahmenbedingungen der Motivation ihrer Mitarbeiter förderlich sind, ihre Entfaltung unterstützen statt sie zu behindern. Die Ergebnisse dieser Verhandlungen haben aber immer auch Auswirkungen auf Entscheidungen gehabt, die nur mittelbar mit der Höhe von Erwerbseinkommen in Verbindung stehen. Zum einen setzten die Forderungen der Arbeitgeberverbände mittelbar auch Signale dafür, wie hoch Ersatzeinkommen, wie Sozial- und Arbeitslosenhilfe ausfallen. Zum anderen lieferte die Höhe der Lohnvereinbarungen auch einen Beitrag dazu, den Einsatz von Maschinen, die Nutzung von Technologie, attraktiv zu machen. Die Höhe der Löhne in Deutschland hat also immer auch die Überlegung befördert, menschliche Arbeitskraft durch Automaten zu ersetzen.
Erfolge tarifpartnerlicher Kompromisse
Ein Resultat dieser erfolgreichen Verhandlungen war und ist die stete Nutzung von Technologie zur Automatisierung von Arbeitsgängen. Diese Nutzung ist also Ausdruck eines tarifpartnerschaftlichen Erfolgs – der Bereitstellung von Rahmenbedingungen, die Innovationen befördert haben. Solange diese Kompromisse nicht Arbeitslosigkeit und damit ein Ansteigen der Lohnnebenkosten zum Resultat hatte, waren die Automatisierungseffekte erwünscht. Schließlich haben sie auch längere Laufzeiten der Maschinen und eine weniger von Arbeitskraft abhängige Wertschöpfung ermöglicht. Die Produktivitäts- und Gewinnsteigerungen in den letzten 30 Jahren waren enorm. Seit den 70er Jahren nun wird dieser Erfolg von Arbeitgebern und Unternehmen zunehmend anders wahrgenommen. Lohnhöhe und Technologienutzung haben dazu geführt, daß mehr und mehr Arbeitsabläufe rationalisiert wurden und damit Arbeitsplätze durch Automaten ersetzbar geworden sind. Finanzielle Aufwendungen der Sozialsysteme, die angesichts der Zunahme von Leistungsempfängern angestiegen sind, schlagen auf die Kosten zurück, die den Unternehmen entstehen. Was einst als Erfolg tarifpartnerschaftlicher Vereinbarungen betrachtet werden konnte und zur Wohlstandsmehrung beigetragen hat, wird heute als Problem, als Versagen, wahrgenommen.
Die gegenwärtige Paradoxie
Für Unternehmen hat diese paradoxe Situation ein Dilemma zur Folge. Als Unternehmen müßten sie eigentlich die zur Verfügung stehenden Automatisierungspotentiale voll auszuschöpfen trachten, um den Wertschöpfungsprozeß zu optimieren. Arbeitskraft müßte dort substituiert werden, wo sie substituiert werden kann. Dies ist nicht nur wünschenswert, weil damit Fertigungsprozesse von Arbeitskraft unabhängiger werden. Vor allem erlaubt die Nutzung von Technologie eine Befreiung der Mitarbeiter von repetitiven Tätigkeiten und damit eine Rückgewin-nung von Lebenszeit – dies gehört auch zum Wohlstand einer Gemeinschaft. Aufgrund der Folgen, die eine radikale Nutzung von Technologie heute für die Beschäftigungslage hat, gilt sie als unerwünscht. Unternehmen müßten sich, wollten sie dennoch ihrer Aufgabe nachkommen, gegen den politischen Konsens entscheiden, wenn sie eine radikale Nutzung anstreben, die politisch nicht gewollt ist. Unternehmensführer sind ja zugleich Bürger der Gemeinschaft und dem politischen Konsens verpflichtet. Wir stehen uns gegenwärtig selbst im Weg: Einerseits wollen wir, daß die Innovativität der Wirtschaft zunimmt. Andererseits wollen wir aber auch, daß Unternehmen Arbeitsplätze schaffen und zwar heutzutage beinahe um jeden Preis. Diese Paradoxie macht es unmöglich, die Automatisierungs- und Innovierungschancen zu nutzen, wenn wir gleichzeitig die Unternehmer dafür tadeln, Technologie einzusetzen, um menschliche Arbeitskraft durch Maschinen zu ersetzen. Die jüngsten Beispiele für die gegenwärtig vorherrschende Deutung, sind die Empörung über die Deutsche Bank und die Deutsche Telekom, die bei Gewinnsteigerung zugleich Entlassungen ankündigten.
Eine rationalisierende Einsparung von Arbeitsplätzen ist für Unternehmer heute im Prinzip nur dann gegenüber der Öffentlichkeit legitimiert, wenn sie sich zur Aufrechterhaltung der Konkurrenzfähigkeit und damit der Existenz ihrer Unternehmen gar nicht mehr umgehen läßt. Sie wird aber eher als notwendiges Übel denn als Fortschritt gedeutet. Statt in ihr einen Erfolg zu erkennen, etwas, was wir erstreben sollten, wird sie beklagt. Statt einen Erfolg unternehmerischen Handelns zu prämieren, nämlich die Schonung von „Humankapital“ durch den Einsatz von Technologie, verdammen wir ihn.
Zur Umdeutung der Erfolge in Versagen
Die Rückgewinnung von Lebenszeit bei gleichzeitig steigender Wertschöpfung, die durch Automatisierung möglich geworden ist, wird als ein Versagen des Sozialstaates wahrgenommen. Arbeit wird auch von dieser Seite als Integrationsband gedeutet, zugleich auch als Mittel der Disziplinierung und Befriedung angesehen. Sozialstaatsleistungen werden nicht selten mit einer „Hängematte“ gleichgesetzt, um die Überversorgung und Bequemlichkeit der Bürger zu kritisieren. Dabei wird übersehen, daß die Leistungen, die heute als Sozialleistungen erbracht werden, durch den Erfolg tarifpartnerschaftlicher Verhandlungen ermöglicht worden sind. Sie sind genauso Resultat des Erfolges wie die steigende Arbeitslosigkeit. Heute wird diese Bedingung unternehmerischen Erfolgs: der Sozialstaat, als ein Hindernis betrachtet. Es ist aber nicht der Sozialstaat, der das Hindernis darstellt, sondern sein System der Finanzierung und Kontrolle.
Die Arbeitgeberverbände argumentieren aus dieser Einschätzung heraus seit Jahren schon für eine Lohnkostensenkung. Aber woran, an welchen Ländern messen sie die Bedingungen in Deutschland? Sollen wir mit China um die Arbeitskosten konkurrieren oder mit der Mongolei? Wie lange wird deren Preisvorteil anhalten, sind auch dort langfristig Entwicklungen zu erwarten, die ein System sozialer Sicherung erfordern. Der dortige Preisvorteil ist als vor allem auch durch eine nicht vorhandene öffentlich getragene Absicherung der Bürger zu erklären. Wir hingegen haben diese Frage nach einer Sicherung schon beantwortet und müssen sie nun von neuem beantworten. Einen Weg zurück gibt es nur, wenn wir diese Sicherung abschaffen wollten, doch dafür wirbt keine ernstzunehmende politische Kraft. Über die Gestaltung allerdings müssen wir nachdenken. Angesichts der Steigerung der Wertschöpfungsleistung in den vergangenen Jahrzehnten kann der wirtschaftliche Erfolg nicht in Frage stehen, wenn auch seine Bedingungen verbessert werden können.
Die Arbeitgeberverbände sehen allerdings ihre Aufgabe bis heute, wie die Gewerkschaften, darin, Arbeitsplätze zu schaffen. Weshalb aber Arbeitsplätze? Entscheidend ist das Erzeugen von Problemlösungen und von Wertschöpfung, will man im Wettbewerb bestehen können. Ohne Innovationen wird kein Unternehmen sich dauerhaft erhalten. Darüber täuschen auch kurzfristig positive Börsenbewertungen nicht hinweg. Welcher Bedingungen bedarf es, damit die Unternehmen auch in Zukunft innovativ sind?
Konsequenzen eines bedingungslosen Grundeinkommens
Wir plädieren dafür, die Chancen zu nutzen, Freiheit zu gewinnen, die uns der technologische Fortschritt und der damit einhergehende Wohlstand ermöglichen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen fördert Leistungsbereitschaft und Innovativität, denn Freiwilligkeit ist die Grundlage von Leistung. Heute schon müssen Unternehmen um innovative Arbeitnehmer werben. Sie wissen heute schon, daß sie ihnen gute Arbeitsbedingungen bieten müssen, um langfristig für sie attraktiv zu sein. Ein Unternehmen, das Mitarbeiter gegeneinander ausspielt, wird nach Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens diese Mitarbeiter verlieren. Heute schon führt eine solche Personalstrategie zu „innerer Kündigung“ und damit zu Leistungsverweigerung.
Unserer Gemeinschaft liegen nicht die Sozialleistungsempfänger „auf der Tasche“. Auf der Tasche liegen wir alle unserer Gemeinschaft, wenn wir auf Automatisierung durch Innovation verzichten und durch Existenznot Bürger dazu drängen, eine Arbeit aufzunehmen. Unternehmen kann nicht daran gelegen sein, unmotivierte Arbeitnehmer zu haben. Motivation erwächst aber nicht aus Existenznot und Konsumwünschen, sondern aus der Bereitschaft, sich einer Herausforderung zu stellen. Arbeit ist nur eine Herausforderung, wenn sie substantiell notwendig ist, d.h. wenn sie nicht automatisiert werden kann. Das Frustrationspotential heutiger Arbeitsplätze, die nur noch existieren, weil die Menschen, die sie innehaben, billiger sind als Maschinen, obwohl diese die Arbeit verrichten könnten und damit die menschliche Arbeit dort überflüssig ist, ist jedem vertraut.
Wir wollen, daß sich die Bürger entscheiden können und ihnen weder Arbeitszeit noch Arbeitsalter vorgeschrieben werden.
Eine mögliche Zukunft von Unternehmen und Arbeitgeberverbänden
Leistung gedeiht immer nur durch die Hingabe an eine Aufgabe; sie zu lösen bedarf einer Anstrengung. Diese Anstrengung nimmt auf sich, wer sie als Herausforderung betrachtet. Aber kann und muß diese Aufgabe jeder in der Erwerbsarbeit finden? Oder wollen wir es dem Einzelnen überlassen, worin er seine Herausforderung erkennt? Freiwilligkeit war und ist die Basis von Kreativität und Innovation. Nicht Arbeit als solche ist wertvoll, sondern Arbeit, die Probleme löst, deren Lösung im allgemeinen vernünftig ist.
Statt bürokratischer Leistungskontrolle wollen wir eine Leistungskontrolle durch diejenigen, die die Leistung erbringen und sie beurteilen können. Arbeitgebern kann an einer bloßen Erhöhung der Arbeitsmenge nicht gelegen sein, wenn damit keine langfristige Leistungssteigerung einhergeht. Das „Absitzen“ von bzw. die formale Erhöhung von Arbeitszeit ist genauso frustrierend und entwürdigend wie die Stigmatisierung durch Kontrolle. Darüber besteht kein Zweifel. Wer sich mit seiner Arbeit identifiziert, war schon immer und wird immer bereit sein, mehr zu arbeiten als andere.
Nach der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle Bürger müßten immer noch die Arbeitsbedingungen der Arbeitskraft ausgehandelt werden. Unternehmen müßten um Mitarbeiter werben, wären aber auch in der Lage, angesichts wirtschaftlicher Krisen unkomplizierte Lösungen zu finden. Angesichts des Wertes motivierter Arbeitskraft müßten die Unternehmen Lösungen finden, durch die sie für Arbeitnehmer attraktiv werden. Rahmenbedingungen könnten auch unter solchen Bedingungen Arbeitgeberverbände aushandeln, vielleicht bedürfte es ihrer auch nicht mehr. Die Anforderungen an Arbeitskräfte werden, wie heute schon der Fall, weiter zunehmen, denn Routinetätigkeiten werden fortschreitend durch Maschinenlösungen ersetzt – das ist absehbar. Ein bedingungsloses Grundeinkommens fördert Qualifizierung durch die Ermöglichung von Entscheidung und ermutigt zu Innovation. Arbeitgeber sehen sich Arbeitnehmern gegenüber, die motivierter und unabhängiger sind als heute. Innovativität erhält man nicht durch Kontrolle und Zwangsmittel, sondern durch das Vertrauen in die Bereitschaft und das Engagement des Einzelnen. Wer, obwohl er wegen der Absicherung durch ein Grundeinkommen nicht arbeiten muß, einer Erwerbsarbeit nachgeht, wird in der Regel besonders motiviert sein. Unternehmen müssen zwar viel mehr als heute um leistungsbereite Mitarbeiter werben, sie müssen ihnen gute Arbeitsbedingungen bieten, damit ihre Leistungsbereitschaft sich entfaltet. Sie werden aber auch einfacher zwischen leistungsbereiten Arbeitnehmern und solchen, die es nicht sind, unterscheiden können. Solche, die sich als nicht genügend leistungsbereit erweisen, können sie leichter entlassen als heute – ohne dabei eine Verletzung ihrer Gemeinwohlverpflichtung befürchten zu müssen.
Stand 19. März 2006